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About the Graz Grammar Picó Sound System / Über den Graz Grammar Picó
Picós stammen ursprünglich aus Kolumbien und sind portable, massiv ausgeführte, buntbemalte, musikspielende „Holzkisten“ auf Rollen. Die Sound-Systeme haben sich aus der Kultur der Afro-Diaspora in Barranquilla und Cartagena, beides Hafenstädte an der Karibikküste, entwickelt. Das Graz Grammar Picó Sound System ist eine Idee des Künstlers Roman Klug und ein Gesamtkunstwerk gelebter Urban Street Culture.
Musikalisch (re-)präsentiert es primär World Music, World Beat sowie Black, Latin & Caribbean Music. Das Graz Grammar Picó Sound System zeigt sich aber auch offen für andere musikalische Spiel- und Lesarten vornehmlich nicht-westlich zentrierter und außereuropäischer Rhythmik und Klangbilder. Dabei wird bewusst eine Kunstform, die ursprünglich aus einer marginalisierten Subkultur stammt, in ihrer Vielfalt und Schönheit zelebriert. In diesem Sinne ist das Musikmachen und -hören, Feiern und Tanzen, Ausdruck eines Lebensgefühls, einer Lebenseinstellung, die Menschen in ihrer unterschiedlichen kulturellen Herkunft und Individualität anerkennt, Gemeinschaft stärkt und Austausch fördert.

Graz Grammar Picó Sound System, „La Gran Amazona Magiar – Caja del Ritmo“, DJ Sound System, Painting, Malerei: Sarah Kulmer, Foto Carolin Bohn

Das Graz Grammar Picó Sound System ist an der Frontseite mit einem dreiteiligen Gemälde versehen. Die bemalte Stoffbespannung dient einerseits dem Schutz der Lautsprecher und andererseits zeigt sie – wie bei den traditionellen Picós – eine bildliche Darstellung des Namens. Jeder Picó (re)präsentiert damit nicht nur eine Sound-, sondern auch eine besondere Bildvorstellung. Der Picó wird mit Persönlichkeitsattributen ausgestattet, die ähnlich wie eine „Marke“, einem „Logo“ oder „Branding“ den Namen und „Charakter“ des Picós zeigen sollen.
Der Langname des Graz Picó Sound System ist „La Gran Amazona Magiar – Caja del Ritmo“ (span. für „Die große, ungarische Amazone – Kiste des Rhythmus“). Als Kurzform wurde „Graz Grammar Picó“ gewählt, welche die Abkürzung des Langnamens beinhaltet. Sie leitet sich von folgender Buchstabenkombination ab: „La GRan AMazona MAgiaR“. Der Begriff „Grammar“ passt, englisch gelesen, auch zur inhaltlichen Konzeption. So versteht sich dieses Soundsystem als „Grammatik“ der Sprache des urbanen Lebens, der lebendigen Stadt.
Die Gestaltung der Vorderseite ist ein „work in progress“ und der Beginn einer Serie. Die Rahmen mit der Stoffbespannung sind wechselbar. Jährlich werden Künstler:innen beauftragt werden, sich mit der Bildgebung ausgehend vom Namen und der Rolle des Picós auseinander zu setzen.
So kann das Stoffgewebe zukünftig Fotos, Grafiken, Zeichnungen präsentieren oder als Projektions­fläche für diverse Medien dienen. Umsäumt wird das Triptychon von gut 170 LED-Lämpchen in den Farben rot, gelb, blau, grün und weiß. Sie bringen als „Lichtorgel“ in der Nacht einen augenkitzelnden sowie augenstreichelnden Effekt. Insgesamt trägt die Dramaturgie aus Licht, Sound, Musik, Atmosphäre und dynamischer Interaktion/Bewegung zu einer holistischen Erfahrung bei. Der Tanz, das gemeinschaftlich ekstatische Erleben, versteht sich als Kernziel des Projektes. Er wird zelebriert, angetrieben von „der Göttin:dem Gott der aus der Musik-Maschine“ kommt, sprich: der „deus ex machina musica“.
\Text: rok

Graz Grammar Picó Sound System, „La Gran Amazona Magiar – Caja del Ritmo“, DJ Sound System, Painting, Malerei: Sarah Kulmer, Foto Carolin Bohn

About the image of the Graz Grammar Picó / Zur Bildgestaltung des Graz Grammar Picós

“Non-violence does not mean doing nothing. It means making the enormous effort required to overcome evil with good. Non-violence does not rely on strong muscles and devilish armaments; it relies on moral courage, self-control and the knowledge, unswervingly acted upon, that there is in every human being, however brutal, however personally hostile, a fund of kindness, a love of justice, a respect for goodness and truth which can be reached by anyone who uses the right means.” (Aldous Huxley, 1937, in “An Encyclopedia of Pacifism”)

In der ersten Version des Bildes, gestaltet von Roman Klug als digitaler Druck mit handgemalten Beifügungen, entsprang die Darstellung des ikonographischen Triptychons einem Traum. Roman Klug fantasierte darin eine ungarischen Superheldin zu Pferd, die mit Discokugel und Protestschild in Händen für die liberale Demokratie und die Menschenrechte kämpfte.
Diese bildnerische, namengebende Gestaltung des Graz Grammar Picó Sound Systems wurde von der jungen Künstlerin Sarah Kulmer aufgegriffen und neu interpretiert. Inspiriert von Delacroix‘ „Die Freiheit führt das Volk“ hat sie das Klug‘sche Bild übermalt. Sie brachte ihrem Bedürfnis entsprechend Ruhe und Klarheit ins Bild. So überdeckt etwa der Nachthimmel nun Teile des Schriftzuges sowie die ehemals bunte Szenerie. Zur Verortung wurde der Grazer Uhrturm im linken Teil des Triptychons eingefügt. Die Uhr schlägt Mitternacht – ein Moment des Wandels von einem Tag auf den anderen.
Die Frau im mittleren Teil sitzt nun auf einem wilden, aber gutmütigen Drachen und hält eine Weltkugel und eine weiße Fahne in der Hand. Das Gesicht scheint „verpixelt“ und lässt damit Raum für Identifikation mit der Frau - wenn auch die rötliche Haarfarbe auf eine Gemeinsamkeit mit der Künstlerin verweist. Bloßfüßig und bauchfrei, mit der Friedensfahne in der Hand, die ein abgenommenes Kopftuch sein könnte, möchte Sarah Kulmer zu entschlossenem Eintreten für Freiheit motivieren. Die Körperhaltung vermittelt einen Aufruf zum Widerstand gegen ungerechte Einschränkungen, die es leider nach wie vor gibt (mensch denke z.B. an die Situation der Frauen im Iran oder in Afghanistan). Der fliegende Drache mit seinem geschlängelten Körper und dem Geweih soll im Sinne der asiatischen Auffassung für ein weises Wesen stehen, das sich von umsichtigen Menschen als Begleiter:in finden lässt und seine Fähigkeiten zum Wohl des größeren Ganzen einsetzt.
Der Vollmond und die Sterne erinnern an die Weite des Universums und die Stille der Nacht, während das Herz der gemalten Botschafterin wohl im Rhythmus der (Welt-)Musik schlägt…
\Text: Sarah Kulmer // Bilder: © Carolin Bohn, ©rok

Die Künstlerin Sarah Kulmer beim Betrachten ihrer Graz Grammar Picó-Malerei

Artist‘s portrait / Zur Künstlerin des aktuellen Bildmotivs
Sarah Kulmer, geboren 1993 in Graz, lehrt seit Abschluss des Masterstudiums 2019 im Bereich Musik, Bewegung und Sport an der PPH Augustinum. Ermutigt durch die spirituelle Lehrerin Rohini Ralby, widmet sie sich nebenbei intensiv ihrer Leidenschaft, dem Zeichnen und Malen und studiert seit 2020 u.a. beim Künstler Peter Bonner (New York School of the Arts).
In ihren vielfältigen Arbeiten sucht Sarah Kulmer nach einer stimmigen Ausdrucksweise für das, was sie gerade bewegt. Das resultiert mal in expressiven großformatigen Bildern, dann wieder in feinem Kleinformatigen. Sowohl Konkretes wie (Selbst)Portraits, Landschaften und Stillleben als auch abstrakte Prozessbilder oder Experimente mit Materialien können unter den Werken gefunden werden. Immer wieder tauchen asiatische Drachen auf, die die Künstlerin als Symbol für Mut und Stärke empfindet. Auch die verwendeten Techniken weisen eine große Bandbreite auf: Von grafischen Medien wie Kohle, Ölpastellkreide, Filzstift, Tinte hin zu Acryl und Öl, sowie mit Foto und Video wird noch fleißig experimentiert und auch Skulpturales aus Ton schleicht sich immer wieder ein. Der Fokus liegt dabei auf dem Schaffen einer räumlichen und vermehrt auch inhaltlichen Tiefe, bei Beachtung kompositorischer Elemente wie Linie, Form, Licht, Farbe, Rhythmus, Textur, Plastizität und der darunterliegenden „Vibration“ (vgl. Ralby, 2022). Mensch darf gespannt sein, wohin sie die innere und künstlerische Reise noch führt.
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